« Quand la Russie frappait aux portes de l'Europe » (Cl. Weill) Pourquoi un nouveau livre sur le même sujet ?
[Zusammenfassung]

Hartmut Rüdiger Peter

L'Étudiant étranger. Préactes dela journée d'études du 8 février 2002

Das Thema "Studenten aus dem Russischen Reich an deutschen Hochschulen vor dem 1. Weltkrieg" bietet Raum für eine ganze Reihe unterschiedlicher Fragestellungen und Forschungsansätze. Das Spektrum reicht von der engeren Hochschul- und Bildungsgeschichte über die Geschichte zwischenstaatlicher Beziehungen bis hin zur Ideen- und Kulturgeschichte. Interessante Ansätze bietet es auch für die Erforschung der Formierung nationaler Eliten oder der Entwicklung, Diskussion und politischen Wirkung von nationalem Selbstverständnis und historischen Fremd- und Feindbildern. Das in Halle betriebene Projekt will ein möglichst umfassendes Bild vom Studium russischer Untertanen in Deutschland entwerfen. Aus diesem breiten Erkenntnisinteresse heraus ergibt sich, daß wir mehrere Forschungslinien verfolgen. Ausgehend von unseren hauptsächlichen Quellen lassen sich diese wie folgt skizzieren : 
  1. Aus den Matrikelbüchern und gedruckten Mitgliederverzeichnissen in den Universitäts- bzw. Hochschularchiven nehmen wir die verfügbaren Angaben über die ³Studenten an sich" in eine Datenbank auf. Ergänzt durch Material aus den Diplomakten und Beständen der Fakultäten wollen wir mit sozialstatistischen Mitteln neben genaueren quantitative Vorstellungen über die soziale, ethnische und konfessionelle Zusammensetzung der rußländischen Studentenschaft sowie ihre fachlichen Präferenzen auch zu qualitativen Einschätzungen gelangen und bestehende Stereotype überprüfen. Dazu gehört der Versuch, charakteristische Sozial-, Motivations- oder akademische Karrieretypen zu beschreiben.
  2. Auf der Basis der Universitätsarchive sowie der Archive der deutschen Kultusministerien gehen wir von verschiedenen Seiten hochschulgeschichtlichen Fragestellungen nach. Aus pragmatischen Gründen interessieren uns zum Beispiel die rechtlichen Grundlagen des Ausländerstudiums, über die es keinen systematischen Überblick gibt. Diese war in den deutschen Bundesstaaten verschieden und wurden von den Universitäten oft unterschiedlich ausgelegt. Hinzu kamen reichsweite Bestimmungen zu den Berufsprüfungen. Für die Entscheidung eines jungen Rußländers, an welcher Hochschule er seine Studien betreiben wollte, war die Kenntnis der jeweiligen Praxis ein entscheidendes Motiv. Dies hilft, die Richtung von Migrationsströme genauer zu erklären.
  3. Die Entscheidungsfindung in der Ausländerpolitik im Hochschulwesen ist ein weiteres Forschungsfeld. Sie war in Süddeutschland liberaler als in Preußen. Die Kultusministerien waren in ihrem Handeln nicht autonom, sondern dem Druck der Innen- und Finanzministerien sowie des Auswärtigen Amtes ausgesetzt. In Parlamenten und Presse machten Parteien, Verbände und Vertreter der Wirtschaft ihren Einfluß geltend. Die Debatten zeigen die differenzierte Stellung unterschiedlicher Kreise der geistigen, politischen und wirtschaftlichen Eliten Deutschlands gegenüber dem national Fremden und verschiedene Varianten des eigenen nationalen Selbstverständnisses.
  4. Die Presse spielte bei der Formierung der öffentlichen Meinung in der akademischen Ausländerfrage und als Medium der Vermittlung zwischen Öffentlichkeit und Politik eine entscheidende Rolle und ist für uns nicht nur Quelle, sondern eigenständiger Untersuchungsgegenstand. Wir wollen sowohl einen Gesamtüberblick über die wichtigsten Presseberichte zum Ausländerstudiums gewinnen als auch exemplarisch ausgewählte Tageszeitung sowie berufsständische Periodika über den gesamten Untersuchungszeitraum auswerten. Mit Hilfe einer Datenbank wollen wir die Behandlung der Ausländerfrage nach journalistischen Textsorten und inhaltlichen Stickworten systematisieren und mit diskurskritischen Methoden analysieren.
  5. Die Einbeziehung russischer Quellen , vor allem der Akten des Kultusministeriums, des Außenministeriums und der Polizei gibt uns die Möglichkeit, die Materialbasis unserer Arbeit gegenüber bisherigen Forschungen qualitativ deutlich auszuweiten. Von besonderem Wert sind die Berichte der Konsulate und die Akten der russischen Geheimpolizei, die unter den Studierenden ein Spitzelnetz unterhielt und so vor allem politische Bestrebungen erfaßte. Solche Dokumente können u.a. dazu beitrage, das interne Leben in den Kolonien in allen seinen Facetten genauer zu beschreiben.
  6. Die gegenseitige Wahrnehmung des Fremden ist ein zentrales und verbindendes Moment unserer Forschung, das wir auf allen bereits geschilderten Ebenen ö im akademischen Raum, in der Hochschulpolitik und in der weiteren Öffentlichkeit ö untersuchen wollen. Dafür gewinnen biographische Quellen einen besonderen Wert. Neben den Dokumenten in russischen Archiven sowie der russischen Presse ist solches Material auch für die Beschäftigung mit der Wahrnehmung Deutschlands und der Deutschen durch die Studierenden aus Rußland wichtig. Neben eigenen Recherchen stützen wir uns hierbei auf die Zusammenarbeit mit russischen Kollegen.
Damit kann zusammengefaßt werden, daß wir auf der Basis der Datenbank, einer systematischen Auswertung konventioneller Quellen und der breiteren Hinzuziehung russischen Materials die Kenntnis über die soziale Dynamik, die akademischen Wege, das gesellschaftliche Leben der Studenten aus Russland erweitern, politische Entscheidungsprozesse über das akademische Ausländerstudium genauer beschreiben, Tendenzen und Stereotype der öffentlichen Wahrnehmung und gegenseitigen Perzeption in größerer Breite als bisher untersuchen wollen.

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